Medien konsumiere ich überwiegend digital - und das schon seit Jahren. Angefangen hat es, glaube ich, in den frühen 2.000er Jahren mit der Nutzung des PCs als Stereo-Anlage und meinem ersten MP3-Player. Es so viel praktischer, Musik nicht mehr in Form von CDs herumschleppen und Playlisten auf Dutzenden Rohlingen brennen zu müssen. Schwerer fiel mir der Umstieg bei Büchern, denn es hatte für mich durchaus etwas, die eigene Sammlung im Regal sehen zu können. Aber auch das erledigte sich mit der Zeit auf "ganz natürliche Weise": Ich bin in den vergangenen Jahren ziemlich oft umgezogen, und jedes Mal Regale voller Bücher die Treppenhäuser hoch und runter zu tragen, ist so ziemlich das Ätzendste, das man sich vorstellen kann. Hinzu kam eine weitere Erkenntnis: Was genau bringt es mir eigentlich, einmal im Jahr das Bücherregal abzustauben und ehrfurchtsvoll vor den gelesenen Werken zu stehen? 99 Prozent meiner Bücher lese ich nur ein einziges Mal - danach sind sie auf ewig Staubfänger und Platzverschwender. 99 Prozent der Bücher mussten also weg. Und Neuanschaffungen gab es und gibt es seitdem nur noch in digitaler Form. Das gleiche gilt für Filme.
Nur Comics waren noch eine lange Zeit die letzte Bastion des haptischen Medienkonsums. Aber auch das gehört dank erstklassiger Tablets der Vergangenheit an. Hier meine ganz persönliche Sicht, warum digital einfach besser ist:
Die Vorteile digitaler Comics
Zuerst muss ich sagen, dass ich keine Gänsehaut bekomme, wenn ich einen Comic oder ein Buch in den Händen halte. Das fast schon sakrale Gefühl, etwas "echtes" vor sich zu haben, von dem mir einige Freunde berichten, die noch fest an das analoge Wort und Bild glauben, kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Für mich ist der Inhalt wichtiger als das Medium. Und wenn ich etwas digital lesen, hören oder sehen kann, wozu dann einen Wohnraumverdränger nutzen?
Abgesehen vom Platz gibt es aber noch einen anderen klaren Vorteil: Digitale Medien nutzen sich nicht ab. Ich kann die Seiten so oft umblättern, wie ich will, Notizen und Markierungen anlegen - all das ist dem digitalen Medium völlig egal. Die Qualität bleibt immer gleich. Gerade bei Comics hatte ich ständig Angst, eine Seite zu knicken, einzureißen oder mit meinen Fettfingern zu verschmieren. In meiner Jugendzeit habe ich die Comics sogar in Umschläge gepackt, damit ihnen ja nichts passiert. Es ist ein befreiendes Gefühl, nicht mehr auf so etwas achten zu müssen.
Was ebenfalls für die digitale Form spricht - ganz besonders bei Comics - ist die "Druckqualität". Generell ist die Papierauswahl und der Druck bei Comics zwar ziemlich hochwertig, teils sogar exzellent, dennoch erreicht Papier einfach nie die Brillanz eines Displays. Voraussetzung ist hier natürlich ein hochwertiges Panel. Auf Billig-Tablets mit geringer Auflösung ist das Lesen von Comics kein Genuss. Hinzu kommt die Zoomfunktion: Jedes noch so kleine Detail lässt sich vergrößern und ganz genau betrachten. Jeder Pinselstrich, jeder Farbtupfer kann ins Zentrum gerückt werden.
Ein großer Pluspunkt ist auch die Bedienung: Die meisten Comics und Bücher lese mobil, also unterwegs auf dem Weg zur Arbeit und umgekehrt. Es wäre für mich einfach unvorstellbar, in der vollen Bahn einen Roman vom Format eines "Es" von Stephen King mal so nebenbei aus dem Rucksack zu ziehen, während die anderen Fahrgäste eine Kuschelparty veranstalten. Oder hast du mal versucht, die gedruckte Gesamtausgabe von Calvin und Hobbes von Bill Waterson mit nur einer Hand zu halten und lesen? Viel Spaß dabei.
Der letzte Vorteil, der mir einfällt, und meinen Comickonsum radikal geändert hat, ist die relativ leichte Verfügbarkeit kleiner Publikationen, die nie den offiziellen Weg nach Deutschland schaffen. Wenn man sich im Comicladen umsieht, bekommt man mittlerweile zwar eine ganz gute Auswahl, aber es ist und bleibt trotzdem nur ein kleiner Ausschnitt aus der Comic-Welt. Allerdings ist auch die digitale Verfügbarkeit noch nicht so, wie ich sie mir wünschen würde - und damit komme ich zu den Nachteilen.
Die Nachteile digitaler Comics
Digitale Comics haben aber nicht nur Vorteile, das ist auch mir klar. Eines der größten Mankos ist die eben erwähnte Verfügbarkeit. Mir ist nicht klar, warum es die Verlage nicht schaffen (wollen), eine gemeinsame Plattform auf die Beine zu stellen, auf der man die Comics legal kaufen und zentral ablegen kann. Aber eine gemeinsame Plattform ist wohl noch viel zu weit gedacht, denn aktuell sind die meisten deutschsprachigen Comics überhaupt nicht in digitaler Form erhältlich. Es ist fast so, als will man aus den Fehlern der Musikindustrie partout nicht lernen.Wer nach digitalen Comics sucht, stößt früher oder später daher unweigerlich auf ComiXology - eine Plattform, die in diesem Bereich in kürzester Zeit eine Monopolstellung aufbauen konnte. Gegründet wurde der Anbieter 2007, 2014 hat Amazon das Unternehmen geschluckt. Mittlerweile gibt es sogar ein Abo-Modell, das für 5,99 US-Dollar im Monat Zugriff auf zahlreiche Publikationen erlaubt. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf amerikanischen Comics, allen voran von Marvel und DC. Die Auswahl Superhelden-loser Graphic Novels und kleiner Indie-Produktionen steigt aber stätig. Einige Comics sind DRM-frei, lassen sich also frei herunterladen und lokal speichern. Welche Plattformen es sonst noch gibt beziehungsweise wie man legal an digitale Comics kommt, werde ich bei Gelegenheit in einem anderen Blogeintrag schreiben.
Für den ein oder anderen könnte der Wiederverkauf ein Nachteil sein - der ist bei digitalen Comics, ebenso wie bei eBooks, nämlich schlicht nicht möglich. Persönlich ist mir das ziemlich egal, dennoch wäre ein Konzept, ähnlich zu Videospielen auf Steam, interessant, bei dem man nicht mehr erwünschte Exemplare anderen Usern verkaufen oder verschenken könnte. Und einen Sammlerwert können digitale Comics natürlich auch nie erhalten - aber das trifft ebenso für geschätzte 99,9 Prozent der gedruckten Ausgaben zu. Ein Sammlerwert oder generell Medien als Wertanlagen sind für mich aber ohnehin eher fremd - wie ich bereits schrieb, ist mir der Inhalt wichtiger als das Medium. Wozu also mehrere Hundert Euro für eine Erstauflage von XYZ ausgeben, wenn ich eine Neuauflage/digitale Ausgabe für ein paar Euro bekomme?
Der letzte Punkt, der mir für die Negativliste einfällt, und der meiner Meinung nach am schwersten wiegt, ist die künstlerische Freiheit des Formats. Viele Comics nutzen zwar Standardformate, aber es gibt bewusste Ausnahmen - Comics, die Form und Inhalt auf eine Art miteinander verbinden wollen, die über die reine Panelwahl hinausgehen. Bei digitalen Comics fällt das weg, denn hier bestimmt allein die Displaygröße über die Form. Aber das ist ein Nachteil, den ich, zumindest als Leser, gerne bereit bin, einzugehen. Und wenn es gar nicht anders geht, kommt ausnahmsweise doch mal ein gedruckter Comic ins Regal.
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